Begegnung mit einem Unbekannten

von Katja

When the lights go out and leave you standing in the dark. No one ever told you this would be so hard. […] You got it in you…

Dieser Song… So ist es, ich fühle mich genauso:

Die Lichter sind ausgegangen und NIEMAND hat mir gesagt wie schwer das werden würde!!! Einfach NIEMAND. Niemand in der Schule, niemand an der Uni, niemand in der Gesellschaft, in der Familie auch  nicht. Wir haben es einfach nicht gelernt, mit dem Tod umzugehen. Und haben NICHTS gelernt über den Moment, wenn es passiert. Dann ist er da. Und dann? Was mache ich denn nun? Wie verhalte ich mich? Wem erzähle ich davon? Erzähle ich davon? Was mache ich mit dieser unfassbar großen Traurigkeit und diesem Schmerz, der sich anfühlt, als würde mein Herz zerreißen, es regelrecht aufspießen oder auch „einfach“ zermetzeln. Das soll ich jemandem erzählen? Wer will sowas denn hören – und WER soll denn wissen, wie man darauf „richtig“ reagiert. Also lieber nicht erzählen… erstmal. Oder doch? Ja, aber eher sachlich informieren – Person XY ist gestorben. Dann wissen es die anderen, das ist schon mal gut und ja auch wichtig. So können sie sich darauf einstellen und evtl. auch entsprechend reagieren. Und ja – das machen dann auch viele Menschen. Es tut so gut, Reaktionen zu bekommen und wahrgenommen zu werden. Warme Worte, wenn sich alles in einem und m einen herum so kalt anfühlt.

Beileidsbekundungen, und vor allem ganz persönliche Worte, die einem zeigen, dass das Gegenüber sich Gedanken macht, nicht nur Phrasen von sich gibt (die allerdings besser ankommen als gar keine Reaktion), und dass man gesehen wird. Das tut wirklich gut. Und man fühlt sich in dieser Situation, in der einem von heute auf morgen oder auf Raten der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, nicht alleine. Oh, ja, so eine „warme Dusche“ während man selbst komplett schockgefrostet ist, ist schön. Ok, das sachliche Sich Mitteilen/Informieren war schon mal gut und richtig. Das habe ich gut gemacht. Ein paar Wochen und Monate bekomme ich auch weiterhin warme Duschen. Es gibt Menschen, die nachfragen, wie es mir „damit“ geht, die sagen, dass sie an mich denken, die auch 1 Jahr später am Todestag liebe Worte finden. Ich fühle mich dadurch etwas sicherer und bestärkter – auf diesem so schweren und unsicheren Weg seit Papas Tod. Der Tag, als die Zeitrechnung in meinem Leben begann, über die ich nichts in der Schule oder Uni gelernt hatte. Die Zeitrechnung, über die ich schlicht nirgendwo je irgendwas gelernt hatte. Oder doch? Ich hatte in der Kirche gelernt, dass die Toten auffahren in den Himmel, und dass es ein Leben nach dem Tod geben würde. Ok. Das ist ja keine ganz schlechte Aussicht – zumindest für Papa und alle Toten und für mich ja auch irgendwann. Doch was bringt mir das für mein Leben im Hier & Jetzt? Ich bin 24 und finde mich seit ich 21 bin in Schmerz, Krankheit, Palliativmedizin, Ungewissheit und Sorgen mit Blick auf die Zukunft wieder und dann ist es passiert. Der Tag ist gekommen – Dein Todestag. Doch auch Du hast mich nicht darauf vorbereitet. Und das ist auch vollkommen ok und nachvollziehbar. Du hattest 3,5 Jahre wirklich genug damit zu tun, gegen diesen SCHEISS-Krebs zu kämpfen. Du konntest mir nicht sagen, wie ich ab Tag 1 ohne Dich weitermachen soll oder kann. Wie ich plötzlich ohne Ur-Vertrauen weiterlebe und was ich mit diesem SCHEISS-Schmerz mache, der bis heute (16 Jahre später) mein fast täglicher Begleiter wird. Ich glaube am Tag meiner Hochzeit war er nicht da. Doch, morgens, als ich natürlich an Dich gedacht habe. Und auch während Pauls und meiner Rede, als ich ein paar Sätze an meine wundervolle und so starke Mama gerichtet habe… Ansonsten war es ein rauschendes und SEHR fröhliches Fest, auch ohne Dich. Mama hat mich zu Paul geführt – und weißt Du was, Papa? „Dein Mädchen“ hat diesen Job ganz zauberhaft für Dich gemacht. Und es war mit Abstand einer der allerwundervollsten, einzigartigsten, schönsten, berührendsten, richtigsten und glücklichsten Momente meines Lebens! DANKE, Mama!!! Und, was mich während ich diesen Text schreibe, überrascht: In dem Moment war auch kein Schmerz in mir. Was für ein Geschenk! Und das bedeutet, dass er (zumindest teilweise) geheilt ist. Ich weiß aber, dass dieser Moment für einige meiner Freunde sehr bewegend (und vielleicht auch schmerzhaft) war. Das weiß ich, weil ich in weinende Gesichter geschaut habe – und ich weiß, dass ich auf anderen Hochzeiten auch schon ein in Tränen aufgelöstes Bündel war. Und das finde ich grundsätzlich auch schön. Denn es zeigt uns doch, wie sehr wir also demnach durch den Schmerz (und auch das Mitgefühl) miteinander verbundensein können. Wenn wir Schmerz oder schmerzhafte Geschichten teilen, bringt uns das auch näher zueinander. Man zeigt sich verletzlich, steht sozusagen zum Schmerz und das Gegenüber fühlt dadurch, dass ihm Vertrauen entgegengebracht wird. Ich habe das in Bezug auf die verschiedensten Themen bereits so erlebt und finde es magisch. Und in oder nach der Verbundenheit durch den Schmerz ist auch die gemeinsame Freude ganz nah. Denn in diesem Universum hängt alles mit allem zusammen – und vieles erleben wir eben nur ganz in der Polarität: Freud und Leid, Sonne und Regen, Angst und Mut, Lachen und Weinen – und die Raupe kann erst zum wunderschönen Schmetterling werden, wenn sie durch den Schmerz der Verwandlung hindurchgegangen ist. Und das Leben gibt es nicht ohne den Tod. Yin und Yang. Anfang und Ende. Ist doch eigentlich ganz logisch.

Ich habe heute einen großen Teil des Schmerzes über Papas zu frühen Tod in (Lebens-)Freude umgewandelt. Und ich wäre heute nicht die, die ich bin, wenn ich mir diesen Schmerz nicht angeschautund nicht gefühlt hätte. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass es Betroffenen helfen kann, wenn das Tabu-Thema Tod offener betrachtet und behandelt wird. Und wenn derjenige/diejenige, die betroffen ist, sich nicht noch mehr alleine damit fühlt – „einfach“, weil die Gesellschaft nicht besser weiß, wie man mit dem Thema umgeht oder es „einfach“ ausklammert/vermeidet. Passt ja auch nicht so in die Spaß-und[1]Friede-Freude-Eierkuchen-Gesellschaft? Meiner Meinung nach ist das Bullshit. Denn das ist doch das Leben. Und jeder hat „schwere“ Themen – denn dadurch entwickelt sich der Mensch weiter und die Seele wächst. Und dafür sind wir ja hier. In diesem Sinne: Sprecht über Themen, die Schmerz in Euch und vielleicht auch im Gegenüber auslösen. Die Lösung ist nicht, diese Themen totzuschweigen. Das ist der Weg des geringsten Widerstandes (und auch hier ist es ok, den mal zu gehen, wenn es eben gerade nicht anders geht). Doch im Grunde sind wir alle eins. Und nur, wenn wir uns miteinander verbinden, werden wir einander und uns selbst besser verstehen und werden insgesamt glücklicher sein und auch die positiven Themen/Gefühle intensiver erleben. Haltet mich für eine Träumerin oder Spinnerin – ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es so ist.

An dieser Stelle (wenn Du bis hierhin gelesen hast ;-)): Von Herzen DANKE, dass Du meine Zeilen gelesen hast! Und ich kann Dir sagen – vielleicht auch ohne zu wissen, wer genau Du bist – dass ich mich mit Dir verbunden fühle. Dadurch, dass ich meine Worte hab‘ aus mir rausfließen lassen und mich getraut habe sie zu posten, haben sie zu Dir gefunden und das verbindet uns. Wenn ich Dich in irgendeiner Form erreichen konnte, dann freut mich das wirklich so sehr! Ich habe mein Herz geöffnet und damit (vielleicht) Deins erreicht. Ich danke dem Universum für mein Leben, meine Geschichte, und meine schöpferische Kraft, ja auch für all‘ die Schmerzen. Ich danke mir für mich selbst, meine Ehrlichkeit und meinen Mut.

Und ich danke Dir. Du bist wundervoll genauso wie Du bist. Ich glaube an Dich, aus tiefstem Herzen.

Let your heart be the difference!

Deine Katja

1 Kommentar

Ingrid Matysik 21. Dezember 2021 - 13:48

Liebe Katja. Ein wundervoller Text ❤️ danke daß du das mit uns teilst. Ich bin sehr berührt davon, weil es auch mein Thema aus der Kindheit war, lange lange bis ins Erwachsenalter. Erst als ich die Trauer zugelassen und durchlebt habe, mit vielen Tränen, die vorher nie geweint wurden, die aber jetzt sein durften und die Trauer ihren Raum bekam, danach fühlte ich mich von einer Last befreit. Ich kann es ebenfalls an alle weitergeben, die sich in so einer Situation befinden: sucht euch Hilfe, vor allem zum reden und versucht nicht, das mit euch allein auszumachen und besonders nicht, die Trauer zu verdrängen! Hört nicht auf Aussagen wie: also jetzt ist ein halbes Jahr um, nun sollte aber mal gut sein. Nein!!! Jeder trauert anders, jeder braucht anders viel Zeit dafür. Dafür gibt es kein Limit.
Es ist leider immer noch ein Tabu Thema in unserer Gesellschaft und gehört doch zum Leben dazu. Katja danke für deinen Mut, das hier zu thematisieren und deine eigene Erfahrung mit uns zu teilen.
Es ist schön daß es dich gibt, du machst die Welt ein bißchen wärmer.❤️😘

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